„Ich will ihnen nichts überstülpen ...”

Kathrin Bunse gibt Religionsunterricht am Berufsbildungswerk in Kassel

Als sie mit Kollegen aus dem Studienseminar vor einigen Jahren das Berufsbildungswerk (BBW) in Bad Arolsen für einen „Schnuppertag” besuchte, wusste Kathrin Bunse: „Das wäre was für mich.” An den Standorten Bad Arolsen und Kassel werden junge Menschen mit Körper- und Lernbehinderungen, aber auch mit seelischen Beeinträchtigungen ausgebildet. Inzwischen arbeitet die dynamische 28-jährige Pädagogin bereits seit knapp zwei Jahren am BBW in Kassel als Religions- und Wirtschaftslehrerin. Sie selbst wurde früh durch ihren katholischen Vater sowie den Kindergottesdienst geprägt, den sie heute selbst mit einer Freundin in der Heimatgemeinde hält.

Ihre Schüler in den Ausbildungsklassen Metall, Lagerwirtschaft oder Holz sind 16 bis 30 Jahre alt, mehrheitlich Männer, sie kommen zum Beispiel von Förderschulen hierher. 90 Minuten Reli pro Woche – was läuft da? Zum Glück sei ihr der Lehrplan „komplett freigestellt”, sagt Bunse. So orientiert sie sich an den Wünschen und Bedürfnissen der Schüler und hat damit beste Erfahrungen gemacht. „Ich will ihnen nichts überstülpen. Das würde gar nicht funktionieren.” Tiefgründig verlaufen die Reli-Stunden dennoch. So möchten die jungen Leute häufig über den Tod sprechen. Viele hätten schon in frühen Jahren jemanden verloren. „Sie suchen Antworten – was passiert nach dem Tod? Sie erzählen aus ihrem Leben, ihre wichtigen Erfahrungen”, sagt die Lehrerin. „Das ist unglaublich spannend.” Kürzlich wollten die Schüler über Salafismus diskutieren – Kathrin Bunse gestaltete ein Projekt zum Thema.

Zensuren gibt es natürlich auch. Es werden Gruppen- und Einzelarbeiten beurteilt, die Schüler legen Lern-Mappen an und halten am liebsten Referate. Religiöse Vorbildung sei bei den meisten kaum vorhanden. Viele wissen nicht, ob sie getauft sind, diverse Konfessionen treffen hier aufeinander; etliche haben Migrationshintergrund oder familiäres Leid erfahren. Mancher sagt: „Ich glaube an nichts, außer dass ich auferstehe”, berichtet Kathrin Bunse. Und schon kann sich wieder eine spannende Diskussion entfalten. Demnächst stehen dann Fragen zur Organspende auf dem Stundenplan – auf Wunsch der Klasse.

 

Anne-Kathrin Stöber

  

Erstveröffentlichung: „blick in die kirche“ 2/2017, S. 11