Mitten in der Lebenswelt von jungen Erwachsenen

Als Schulpfarrer in einer Berufsschule zu arbeiten heißt, mitten drin zu sein in den Lebenswelten der Schülerinnen und Schüler und am Puls der gesellschaftlichen Entwicklungen. Es heißt aber vor allem, junge Menschen zu begleiten in Zeiten des Übergangs: vom Jugendlichen zum jungen Erwachsenen, vom Ende der Schulzeit in die Ausbildungs- und Berufswelt, bei der Loslösung vom Elternhaus und dem Aufbau eines eigenständigen Lebens. In kaum einem Dienst begegnet ein Pfarrer so vielen Menschen zwischen 15 und 25 Jahren wie in der Berufsschule. In dieser Phase stellen sich die Fragen nach Identitätsbildung und Lebensorientierung dringlich und existentiell.

Ein weiteres Merkmal vom Arbeiten in einer Berufsschule ist, dass man dort mit einer großen Heterogenität der Schülerschaft konfrontiert ist und einer Vielfalt von Kulturen und Religionen begegnet: Die Schüler kommen aus allen Gesellschaftsschichten, aus unterschiedlichen Ländern, Kulturen und Religionen. Und sie bringen verschiedene Bildungsvoraussetzungen mit – von ohne Schulabschluss bis hin zum Studienabbrecher oder Umschüler mit Mitte 30. Der offene curriculare Rahmen des RU in der Berufsschule und die Praxis des gemeinsamen Unterrichtes im Klassenverband ermöglichen, dass man mit den Jugendlichen an spannenden aktuellen Themen arbeiten kann. Christen, Muslime, hin und wieder einige Buddhisten, Hindus oder Juden und zunehmend auch Konfessionslose arbeiten und diskutieren über ihre jeweilige Sicht der Welt. Nicht über- sondern miteinander.

Auch in Seelsorge- und Beratungsgesprächen, in Projekten wie „Sich begegnen – voneinander lernen“ gehört die Begegnung mit Jugendlichen aus anderen Kulturen und Religionen zu meinem Berufsalltag. Dabei unterstütze und begleite ich seit vielen Jahren junge Flüchtlinge, die von Abschiebung bedroht sind. Gerade die Verbindung von Religionsunterricht und Schulseelsorge ist für meine pastorale Identität als Schulpfarrer wesentlich. Sie wird von der Schülerschaft und dem Kollegium positiv aufgenommen und stärkt den RU in der Berufsschule. Für mich ist diese Verbindung „gelebtes Evangelium“ in seiner Gebrochenheit und Unvollkommenheit. Und so versuche ich, mein Christsein an diesem Ort auch zu leben.

 

Wolfgang Bauer, Schulpfarrer an der Ludwig-Geißler-Schule in Hanau