Sechs Wochen Bergpredigt pur
Die Schüler meiner 10. Realschulklasse starten fröhlich, als ich sie mit dem Auftrag, sechs Wochen nach den Regeln der Bergpredigt zu leben und zu arbeiten, in die neue Unterrichtseinheit aufbrechen lasse.
Schon bald wird deutlich, vor welche Herausforderungen das die Jugendlichen stellt, und der Ruf nach dem Religionslehrer wird laut: „Was soll das denn? Auch die andere Backe hinhalten? Wer mir eins auf die Mütze haut, bekommt zwei zurück!“ Oder: „Herr Klockenhoff, mal ehrlich, haben Sie noch nie einen gerippten Film geschaut?“ Und schon sprechen wir über Gewaltverzicht oder die Verletzung von Eigentumsrechten. Vor allen Dingen setzen sich die Heranwachsenden mit grundsätzlichen Fragen auseinander: In welchem Geist will ich mein Leben gestalten? Welche Handlungsoptionen entdecke ich?
Der Ruf nach „Herrn Klockenhoff“ macht deutlich: Die Jugendlichen suchen meine persönliche Haltung zu „ihren“ Themen. Das macht für mich die Arbeit in der Schule so spannend: Mit jungen Leuten über das Leben und seine Herausforderungen nachzudenken, und das nicht als außen stehender Pfarrer sondern mittendrin – und ganz persönlich.
Zu den Herausforderungen des Lebens gehört auch der Umgang mit Leid und Krisen. Als Pfarrer im Sozialraum Schule ist die Schulseelsorge nicht nur ein „Dienstauftrag mit Stundenkontingent“, sondern gehört für mich untrennbar mit der alltäglichen Arbeit zusammen. Die Lernenden wissen um das Beichtgeheimnis und nehmen das seelsorgerliche Angebot gerne in Anspruch: Da gibt es einen Menschen, dem ich mich ganz anvertrauen kann. In Zeiten, in denen noch so persönliche Informationen innerhalb von Sekunden medial präsent sind, ist das von Vertrauen getragene Seelsorgegespräch ein hohes Gut. Es dokumentiert ein tiefes Vertrauen in die Kompetenz von Kirche und gibt Auskunft über die Bedeutung von kirchlicher Seelsorge innerhalb der Institution Schule.
Andrew Klockenhoff, Schulpfarrer an der Bertha-von-Suttner-Schule in Nidderau